PATRIZIA POWIERSKI
INFOS
Kunsttherapie ist ein wissenschaftlich anerkanntes Therapieverfahren, das häufig in ambulanten oder stationären klinischen, rehabilitativen oder (heil-)pädagogischen Einrichtungen integriert ist. Kunsttherapie wurde von dem Psychoanalytiker S. Freud und dem Tiefenpsychologen C. G. Jung beeinflusst und entwickelte sich in den frühen Ursprüngen in den 1940er Jahren in den USA. Es gibt keine einheitliche Methodik und eine Fülle von Material und verschiedene Schulrichtungen, die Anwendung finden. Kunsttherapie eignet sich im Prinzip für alle, die unter psychischen oder körperlichen Problemen leiden, sich weiterentwickeln möchten und der kreativen Arbeit nicht abgeneigt sind, obwohl grundsätzlich von einem universellen Streben nach gestalterischem Ausdruck im Menschen ausgegangen wird.
Kunsttherapie gehört zu den humanistischen Therapieverfahren, denen ein ressourcenorientiertes und holistisches Menschenbild zugrunde liegt. Der Mensch wird in seiner Ganzheit und dem Streben nach Wachstum, Schöpfen, Entwicklung und Selbstverwirklichung gesehen. Er gilt als kompetent genug, seine Ressourcen zur Bewältigung von Hürden zu entdecken und anzuwenden. Therapeut:innen begleitet ihre Klient:innen dabei, ihre innere Welt in einem geschaffenen Werk auszudrücken und anschließend in den Werken selbstentdeckend Entwicklungs- und Möglichkeitsräume zu erschließen. Der Mensch kann sich als selbstwirksam erleben und die gewonnene Stärke Stück für Stück in sein Leben integrieren.
In der Kunsttherapie kommt zum Tragen, dass in der Menschheitsgeschichte die Kommunikation über Bilder älter als die verbale Kommunikation ist und wir eine genetisch bedingte Affinität zu visuellen Reizen haben. Bei der Kunsttherapie handelt es sich um ein weitestgehend nonverbales Therapieverfahren, das vor allem die Beziehung von Klient:in zu den eigenen künstlerischen Objekten und den Schaffensprozess in den Vordergrund stellt, der durch die Beziehung zur therapierenden Person lediglich rekonstruiert wird. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse zur positiven Wirkung von Bildern auf die Selbstwirksamkeit und das Ich-Erleben. Das geschaffene Werk ergänzt die therapeutische Beziehung zwischen Klient:in und Therapeut:in um eine entscheidende Komponente. Im künstlerischen Prozess entsteht ein Bild, das innerpsychische Prozesse, Empfindungen und Anteile der Klient:innen zum Ausdruck bringt und diese für die Person nun zugänglich und begreifbar macht.
So findet eine Integration auf mehreren Ebenen statt. Die Kreativität im Prozess, die auf der rechten Gehirnhälfte zu verorten ist und die verbale Kommunikation und Sinnstiftung, die hingegen auf der linken Gehirnhälfte liegen, werden im Gehirn miteinander verknüpft, was als enorm stabilisierend und aktivierend erlebt wird. So werden nicht nur auf seelischer Ebene Ressourcen und Entwicklungspotenziale freigesetzt, sondern es findet auch auf körperlicher Ebene eine Integration durch die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften im Prozess statt. Das gestaltete Werk, das den Prozess verkörpert, wirkt über die therapeutische Sitzung im Sinne der Integration und Ganzheit unterbewusst nach. Sie können tiefe innere Prozesse anregen, die sogenannte Heilkraft des künstlerischen Ausdrucks.